Rembrandts "Nachtwache" ist weltberühmt. Das Gemälde entstand 1642 und war seither ungezählte Male Gegenstand von Analysen und Besprechungen. Tatsächlich vermag es den Betrachter zu fesseln: Was geht dort wohl vor sich? Zugleich zeigt es ein für die damalige Zeit ganz typisches Motiv: Eine Amsterdamer Schützenkompanie hat sich um ihren Hauptmann Frans Banning Cocq versammelt. Die Tradition solcher Gruppenporträts reicht in Amsterdam bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück. Die Nachtwache war ein Auftragswerk, ursprünglich bestimmt für den Festsaal des neuen Schützenhauses. Banning Cocq war nicht der einzige, der ein solches Gemälde anfertigen ließ; auch andere Mitglieder der Schützengilde gaben ähnliche Bilder bei renommierten Malern in Auftrag. So hingen neben Rembrandts Werk anfänglich noch weitere Gruppenbildnisse im neuen Festsaal, in dem sich die Schützen regelmäßig zum Essen, Trinken und Rauchen zusammenfanden.
Als Rembrandt von Banning Cocq den Auftrag zu diesem Gemälde
erhielt, war er ein äußerst gefragter Porträtist. Bereits in jungen
Jahren hatte der ehrgeizige Maler sein Elternhaus in Leiden
verlassen - in der Hoffnung, in der größeren und wohlhabenden Stadt
Amsterdam Karriere zu machen. Sein Traum wurde wahr. Für eine Elite
wohlhabender Bürger und Kunstkenner fertigte er teure Porträts und
malte biblische und mythologische Szenen und Gestalten.
Der Amsterdamer Kunstmarkt hatte aber noch viel mehr zu bieten. Um
1650 waren etwa 175 Kunstmaler in der Stadt tätig. Die meisten
versorgten einen anonymen Markt mit kleinen, billigen Gemälden -
häufig Landschaftsbilder und sogenannte Genrebilder, Abbildungen
von Alltagsszenen. Zwar gingen sie damit nicht in die Annalen der
Kunstgeschichte ein, jedoch sind ihre Bilder kennzeichnend für den
Reichtum und die Vielfalt der niederländischen Malerei des 17.
Jahrhunderts. Aufgrund der großen Nachfrage einfacher Bürger nach
schlichten Gemälden für die heimische Stube versuchten Maler im
ganzen Land, sich einen Platz auf dem Kunstmarkt zu sichern. Man
schätzt, dass im 17. Jahrhundert über 5 Millionen Gemälde
angefertigt wurden. Allein schon diese Zahl zeigt, dass die
niederländische Malerei der damaligen Zeit mehr war als das Werk
einiger großer Meister, die in den künstlerischen Zentren
Amsterdam, Haarlem oder Utrecht tätig waren. Deshalb ist nicht nur
Rembrandt ein Symbol der kulturellen Blüte dieses Jahrhunderts,
sondern auch Johannes Vermeer und Jan Steen, ebenso wie die
unzähligen Maler der zweiten oder dritten Reihe, die - im Schatten
der berühmten Meister oder abseits der großen Kunstszene in Städten
wie Enkhuizen oder Zwolle - ihr Auskommen zu finden suchten.