Im 19. Jahrhundert war Kinderarbeit ganz normal: Kinder
arbeiteten auf dem Feld oder in der Werkstatt, oder sie halfen im
Geschäft mit. Man hielt dies nicht nur für nützlich, weil die
Kinder etwas dabei lernten - häufig war es auch bitter nötig, um
das Einkommen der Eltern, das allein nicht ausreichte, um die
Familie über Wasser zu halten, aufzubessern. Als im Zuge der
Industriellen Revolution Kinder auch in Fabriken eingesetzt wurden,
nahmen die Bedenken zu, wenngleich zunächst nur im Hinblick auf
diese spezielle Form der Kinderarbeit.
Die Arbeitsbedingungen waren in der Regel ausgesprochen schlecht.
So mussten die Kinder in der Glasfabrik Regout in Maastricht, in
der die Öfen rund um die Uhr befeuert wurden, in zwei Schichten von
jeweils zwölf Stunden schuften. Kinder im Alter von acht bis zehn
Jahren mussten sich gegen Mitternacht schlaftrunken auf den Weg zur
Arbeit machen. Der Fabrikbesitzer fand nichts dabei; er meinte,
Kinder kommen auch mit wenig Schlaf aus.
Um 1860 mehrten sich die Stimmen gegen Kinderarbeit. Ärzte und
Lehrer erklärten, Kinder gehörten in die Schule und die Arbeit
gefährde ihre Gesundheit. Die Fabrikbesitzer erkannten nach und
nach, dass es lohnender ist, Kinder erst dann einzusetzen, wenn sie
die Volksschule besucht hatten. Schließlich konnte man Kinder, die
zwölf Jahre oder älter waren und lesen und schreiben konnten, ganz
andere Tätigkeiten verrichten lassen. Da immer mehr Arbeiten von
Maschinen übernommen wurden, ging zudem die Nachfrage nach
Kinderarbeit zurück. Und auch die Einstellung der Eltern änderte
sich zunehmend: In dem Maße, in dem die Löhne stiegen und
Kinderarbeit zur Aufbesserung des Familieneinkommens entbehrlich
wurde, nahm auch die Bereitschaft zu, die Kinder länger zur Schule
zu schicken.
Diese Entwicklung wurde von zwei Gesetzen gestützt. Das sogenannte
Van-Houten-Gesetz aus dem Jahr 1874 verbot die Arbeit von Kindern
unter zwölf Jahren in Werkstätten und Fabriken. Das heißt aber
nicht, dass damit die Kinderarbeit sofort aus den Fabriken
verschwunden wäre. Auch durften Kinder nach wie vor für die
Feldarbeit eingesetzt werden. Erst im Jahre 1900 wurde der
Kinderarbeit mit dem Schulpflichtgesetz definitiv ein Ende gesetzt.
Damit waren Eltern verpflichtet, ihre Kinder im Alter zwischen
sechs und zwölf Jahren zur Schule zu schicken, was zu diesem
Zeitpunkt übrigens bereits gängige Praxis war: Um den
Jahrhundertwechsel besuchten etwa 90 Prozent der Kinder die
Schule.