Dass Hugo Grotius in den Niederlanden einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, ist vor allem einer Bücherkiste zu verdanken. Darin war er nämlich am 22. März 1621 aus Schloss Loevestein entflohen, wo er seit 1619 wegen Landesverrats gefangen gehalten worden war. Als Syndikus von Rotterdam und politischer und juristischer Berater des Landesadvokaten Johan van Oldenbarnevelt hatte Grotius eine Hauptrolle im Remonstrantenstreit gespielt. Als Oldenbarnevelt zu Fall kam, schienen auch Grotius' Tage gezählt zu sein. Zwar wurde er nicht wie sein Protektor hingerichtet, sondern zu lebenslangem Kerker verurteilt, dem wusste er sich jedoch dank erwähnter Bücherkiste zu entziehen. Allerdings musste er den Rest seines Lebens im Exil verbringen. Er starb 1645 in Rostock.
Seine abenteuerliche Flucht im Jahr 1621 bedeutete zwar das Ende seiner Zeit in den Niederlanden, nicht jedoch seiner intellektuellen Aktivitäten und seiner Reputation als Gelehrter. Diesen Ruf hatte er sich schon in jungen Jahren erworben. Der 1583 in Delft geborene Grotius galt als Wunderkind. Bereits im Alter von elf Jahren nahm er ein Studium an der erst kurz zuvor gegründeten Universität Leiden auf, wo er als Nachfolger von Erasmus von Rotterdam angesehen wurde. Der junge Grotius erwies sich als besonders vielseitiges intellektuelles Talent. Lateinische Verse verfasste er mit derselben Leichtigkeit, mit der er ganze Neuausgaben antiker Schriften besorgte. "Das Wunder von Holland" - so nannte ihn der französische König 1598.
Im Laufe seines Lebens verfasste Grotius zahlreiche theologische, historische und vor allem juristische Abhandlungen. Anfangs ließ er dabei seine holländische Herkunft nur allzu deutlich erkennen. So versuchte er anhand einer Unmenge historischer Beispiele zu belegen, dass die Niederlande bereits seit den Batavern über die ideale Regierungsform verfügten oder dass es den Holländern freistehe, die Weltmeere zu befahren, da es internationale Gewässer seien ("Mare liberum"). Seine Argumentation wies Grotius gleichwohl als humanistischen Gelehrten aus. Sein vornehmstes Ziel war es, das in den Werken klassischer Autoren enthaltene Wissen zu ordnen und zu strukturieren. Dabei kam er vor allem in seinen juristischen Schriften zu bedeutenden neuen Erkenntnissen, etwa in "De iure belli ac pacis" (Vom Recht des Krieges und des Friedens) aus dem Jahr 1625, in dem er die Grundsätze des Völkerrechts darlegt.
Im Ausland ist Grotius vor allem als brillanter Rechtsgelehrter bekannt, in den Niederlanden wurde er immer mit einer Bücherkiste assoziiert. Als Opfer des Statthalters Moritz von Oranien wurde er gemeinsam mit Oldenbarnevelt und den Brüdern Johan und Cornelis de Witt zu einem Symbol des Widerstands gegen die Oranier. So brachten ihm denn auch später die Anhänger der Patriotenbewegung große Bewunderung entgegen. Damals tauchten verschiedene Gegenstände auf, die mit Grotius in Verbindung gebracht und geradezu wie Reliquien gehütet wurden, darunter auch zwei Bücherkisten.